Mein Name ist Kasimir (kurz Kasi) und ich wohne seit fast 2 Jahren im Tierheim. Fast ein ganzes Leben. Fast. Ich habe lange überlegt, ob ich euch meine Geschichte erzählen sollte und ob ich irgendwo da draußen vielleicht doch noch jemanden finden könnte, der mich so nimmt wie ich bin. Meine Vergangenheit verschwimmt, wenn ich versuche, zurückzudenken. Verdrängung kann man es auch nennen. Wie ich dort im Tierheim gelandet bin, weiß ich nicht mehr so ganz. Ich weiß nur, dass ich fürchterlich Hunger hatte und ein kleiner Käfig mich von diesem Ort wegbrachte.

Natürlich liegt es nicht an meinem Aussehen oder an meiner überdurchschnittlichen Intelligenz, dass ich noch kein Zuhause finden konnte. Nein. Ganz bestimmt nicht. Es liegt leider an mir selbst, an meinem „Charakter“. Ich habe Angst vor euren Händen und manchmal auch vor euren Füßen. Je nach Situation und Tagesform. Jetzt könnte ich weglaufen oder fauchen oder… Aber so bin ich nicht. Ich habe gelernt, mich sofort zu verteidigen und kein Feigling zu sein. Abschreckung nennt man das und dabei fühl ich mich dann richtig gut. Den Spieß umdrehen, dass mir niemand mehr weh tun kann. Ups. Das wollte ich euch eigentlich gar nicht erzählen.

Ich gelte tatsächlich unter euch Menschen als unberechenbar. Meine liebe Patentante, die mich seit einem halben Jahr besucht, hat mir das so erklärt. Dieser Mensch beeindruckt mich, weil er nicht wegläuft. In jeglicher Hinsicht. Sie überlegt sich ständig etwas Neues und „trainiert“ mit mir, so nennt sie das. Ich habe sie oft gefragt, warum sie das macht. Ihre Antwort hat mich wirklich überrascht: Weil ich es wert bin. Ich dachte, ich bin ein hoffnungsloser Fall. Leider kann sie mich nicht mit zu sich nach Hause nehmen. Die Gründe habe ich verstanden.

Ich benötige viel Platz, vielleicht einen Hof, viele Mäuse, keine Kinder, wenig Trubel und vor allem einen Menschen, der mich nimmt wie ich bin – der eine Herausforderung sucht und annimmt. Und ausreichend Erfahrung und Geduld mit uns Katzen hat. Sich überraschen lässt und keine Erwartungen an mich stellt. Wünsche kann man ja haben.

Gibt es so jemanden da draußen in eurer Welt noch? Meine liebe Patentante und ich haben viel darüber gesprochen. Ich würde mich auch weiter anstrengen, mich mit euch Menschen anzufreunden. Ja, das ist mein größtes Laster, mich mit euch anzufreunden. Ich schnurre und schmeichle um eure Beine, wenn ich euch begrüße, aber Hände…die mag ich einfach nicht.

Wir könnten uns allerdings über das Bürsten annähern. Das ist so phantastisch, ich freu mich jedes Mal riesig darüber. Ich habe nun all meinen Mut zusammengenommen, um den Menschen zu finden, den meine Zeilen ansprechen. Ich bin es wert. Und vielleicht ist mein Name ja auch garnicht zufällig gewählt. Vielleicht ergibt alles einen Sinn – für dich da draußen und für mich. Für uns beide.

Kasimir ist gechipt, geimpft, kastriert, sein genaues Alter ist leider nicht bekannt.